Lundi à Liège, 15.08.05

So ein Kurztrip zwischendurch ist doch was Feines - dachten sich meine Freundin Sylvia und ich. Warum nicht Lüttich? Laut PRINZ eine Metropole (!), die es sich zu besuchen lohnt. Also Zugticket gebucht und nix wie ab! Da wir nicht soviel Geld für den Thalys ausgeben wollten, sind wir erst mal mit dem Regionalexpress von Köln nach Aachen getuckert und dann weiter mit der SNCB, der belgischen Bahn, weiter nach Liège-Guillemins – eine ganz idyllische Zuckel-Tour durch Ostbelgien, mit Stopps in so wohlklingenden Orten wie Welkenraedt, Dolhain-Gileppe, Pepinster oder Nessonvaux.

Der alte Lütticher Bahnhof ist derzeit eine einzige Baustelle, da hier bald der TGV, der französische Schnellzug halten soll und die Stadt mächtig aufrüstet. Neben der alten (wirklich heruntergekommen und nicht gerade einladenden) Plattenbau-Hütte entsteht ein futuristischer weißer Neubau – eine Mischung aus Ufo und Achterbahn. 

Schon um 9.30 Uhr kamen wir in Walloniens Hauptstadt an, es regnete, es war grau und kalt und die Läden waren natürlich noch alle geschlossen. Sogar die Tourist Information am Bahnhof hatte noch zu, immerhin in Betrieb: Ein Internet-Terminal mit eingebauter Kamera, mit der man lustige Fotos schießen und an Freunde versenden konnte. Eine wirklich witzige Willkommensidee und der Startschuss für unsere Sightseeing-Tour.

Mit Stadtplan und Schirm bewaffnet steuerten wir (per Bus) erst mal den Place Saint-Lambert an und gingen von dort aus zu Fuß weiter zur Kathedrale. Alternativen gab es keine, weil Liège tatsächlich noch zu schlafen schien und gerade mal ein paar Geschäfte ihre Rollgitter hochgefahren hatten. Außerdem war Montag, das heißt, die Museen hatten alle geschlossen. Unsere Planung war also wirklich perfekt…

Lüttich ist eine Industriestadt, nicht sonderlich gepflegt. Die charmanten Ecken muss man wirklich suchen. Aber es gibt ein paar wenige davon. Nachdem wir den Fluss Maas, der durch Lüttich fließt, zwei Mal überquert und die hässlichen Plattenbauten am Ufer begutachtet hatten, bogen wir ins „Coeur historique“ ein – in der Hoffnung, hier urige alte Fachwerkhäuser oder wenigstens ein paar alte Brunnen zu finden. 

Stattdessen schauten wir aber in Messie-Wohnungen, in denen Mäuse über die Fensterbank liefen und sahen schlecht gekleidete Menschen, die ihre übergewichtigen Katzen auf der Schulter durch die Stadt trugen. Diese ersten Eindrücke wollten mit einem „Café au lait“ begossen werden, der sich allerdings als simpler Kaffee aus der Illy-Maschine mit einem Schuss Kondensmilch entpuppte. Von wegen in Lüttich könne man echtes Frankreich-Feeling genießen!

Aber unserer Touri-Stimmung tat das alles keinen Abbruch. Mit Elan erklommen wir die Zitadelle hoch über der Stadt und „fanden“ dann auch endlich die „Montagne de Beuren“ – eine Art Lütticher Wahrzeichen, vermutlich die steilste und längste Treppe der Welt. Sehr romantisch und von der obersten Stufe aus hat man einen wirklich tollen Blick über die ganze Stadt.

Weiter ging es dann zurück in die City, die mittlerweile von Menschenmassen heimgesucht wurde. Dazu muss man sagen, dass Einkaufen in Lüttich echt Laune machen kann. Es gibt natürlich alle Ketten, die wir in Deutschland auch kennen von Mango und Zara bis zu H&M, darüber hinaus eben aber auch noch ein paar andere, eher francophile: Bershka, Morgan, Nafnaf. Kaufhof heißt in Lüttich übrigens Inno. Das einzige, was wir nicht fanden, war eine vernünftige Papeterie. Dagegen löste ein Einrichtungsladen große Begeisterung bei uns aus: Maisons du Monde! Ein wirklich lustiger Laden über zwei Etagen, eine Mischung aus Habitat und Kare, wo es fast nur Zeugs in Rot, Pink und Orange gibt – so wichtige Dinge eben wie Kerzenständer, Tischsets und Bilderrahmen (Sachen, von denen man eh schon zu viele hat).

Zeit war es längst für einen Snack, warum nicht mal ein „Sandwich avec jambon et fromage“ – eine klassische Frittenbude war entgegen aller Belgien-Klischees einfach nirgends zu finden. Diese Snack-Bistros bieten auch ansonsten immer noch allerhand süße Schweinereien an, z.B. Croissants mit Banane (!) und Creme-Schnittchen aller Art. 

Mit mindestens einer Million Kalorien gönnten wir uns noch einen Abstecher ins „Carrée“, das Ausgehviertel von Lüttich, in dem sich eine Kneipe an die nächste reiht und es tagsüber widerlich nach Bier und Pisse riecht. Im Internet habe ich ein paar Tage nach unserem Besuch gelesen, dass dies ein echt heißes Pflaster ist, aus dem man abends keinesfalls alleine nach Hause gehen sollte, weil Gangster Partygängern systematisch folgen und sie dann in dunklen Seitenstraßen überfallen. Lüttich hat nach Charleroi die höchste Kriminalitätsrate in Belgien – wie gut, dass wir das alles hinterher erfahren haben! 

 
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